Erbgesundheitsgericht

"Sippentafel" einer vor dem Erbgesundheitsgericht begutachteten Person.

Das Erbgesundheitsgericht wurde 1934 am Amtsgericht Hagen für den Landgerichtsbezirk Hagen gebildet. Grundlage war das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933. Einer der Beisitzer war auch der Leiter des städtischen Gesundheitsamts, das während der nationalsozialistischen Herrschaft der Rassenhygiene und ideologischen Grundsätzen der Partei verpflichtet war. Der Bestand umfasst über 5.000 Fallakten mit zugehörigen Beiakten und Materialien.

Zu den Aufgaben des Erbgesundheitsgerichts gehörten Entscheide über die Einweisung in psychiatrischen Kliniken und Pflegestätten, Gutachten über die Erbgesundheit von Heiratswilligen sowie der Zwangssterilisation von vermeintlich psychisch Kranken und „erbgeschädigten“ Menschen. Größtenteils hatten die Entscheidungen einen pseudowissenschaftlichen Hintergrund, so dass die betroffenen Menschen aus heutiger Sicht wenn überhaupt sozial auffällig oder psychisch erkrankt waren.

Sterilisierungen und Euthanasie

Mitteilung der Heil- und Pflegeanstalt Hadamar über den Tod eines vom Erbgesundheitsgerichts Hagen eingewiesenen Patienten. Er wurde Opfer der systematischen Ermordung im Rahmen der T4-Aktion.

Letzten Endes entschied das Hagener Erbgesundheitsgericht häufig über Leben und Tod. Die zur Zwangssterilisation verurteilten Menschen konnten an den Folgen des Eingriffs sterben. Andere wurden in ein Heil- und Pflegeheim, beispielsweise in Hadamar und Sonneneck, eingewiesen. Dort lief ab September 1939 das Euthanasie-Programm. Gerieten „auffällige“ Menschen in das Räderwerk von Erbgesundheitsgericht, Gutachter und Ärzten, drohte ihnen im schlimmsten Fall die Ermordung in der Gaskammer oder durch eine Giftspritze. Nach Protesten des Münsteraner Bischofs Clemens August von Galen im Sommer 1941 ließ das Regime die Menschen auch verhungern.

Tausende Einzelschicksale

Blick auf das Hagener Landgericht mit Amtsgericht und angeschlossener Untersuchungshaftanstalt. Postkarte, um 1935.

In den Akten finden sich zahlreiche Schicksale, die Opfer einer unmenschlichen Ideologie wurden. Die damals 30-jährige Else N. wurde 1935 wegen „angeborenen Schwachsinns“ angezeigt und im folgenden Jahr zwangssterilisiert. Acht Jahre später wird ein Ehetauglichkeitszeugnis beantragt. Das Erbgesundheitsgericht lehnt eine Verheiratung von Else N. ab. Da sie weiterhin mit ihrem Verlobten zusammenlebte, ermittelte die Kriminalpolizei. Das Paar kam bei einem Luftangriff auf Hagen im Dezember 1944 ums Leben.

Keine "Wiedergutmachung" und "Entschädigung"

Ergänzungsbogen zur Datenerfassung von Angaben über die zu untersuchenden Personen.

Überliefert geblieben sind auch die oft vergeblichen Versuche der Betroffenen, nach dem Untergang des NS-Regimes und in der frühen Bundesrepublik eine Entschädigung und Wiedergutmachung zu erhalten. Vielfach trafen die Opfer des NS-Terrors in den Amtsstuben und Gesundheitsämtern wie in Hagen auf bekannte Gesichter, mit denen sie bereits in ihrem Verfahren vor dem Erbgesundheitsgericht konfrontiert waren. Der Bestand Erbgesundheitsgericht im Stadtarchiv Hagen ist eine geschlossene Überlieferung, die tausende Schicksale enthält.



Aufhebung der Entscheidung 1998 und 2007

Durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte vom 25. August 1998 (Artikel 2 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege und von Sterilisationsentscheidungen der ehemaligen Erbgesundheitsgerichte vom 25. August 1998, BGBl I S. 2501 ff.) wurden sämtliche Beschlüsse der Erbgesundheitsgerichte, die eine Unfruchtbarmachung angeordnet hatten, aufgehoben. Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 24. Mai 2007 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 geächtet.


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