Sehnsucht nach Ebene II - Kunstprojekt für eine Brücke

Kulturhauptstadt 2010

Im Frühjahr 2008 wurde das Projekt „Sehnsucht nach Ebene 2“ nach rund dreijähriger Vorbereitungszeit in die Liste der Kulturhauptstadtprojekte aufgenommen:


„Neben der städtebaulichen Dimension besticht das Konzept von Sehnsucht nach Ebene 2 durch seine modellhafte Verbindung von Kunst, Stadtentwicklung, und Migration. In dem Viertel rund um die Brücke leben Menschen aus 84 Nationen. Als Brückenschlag zwischen den deutschen und migrierten Bevölkerungsgruppen steht es zudem für eine beispielhafte Umgangsweise mit dem drängenden Thema des Dialogs der Kulturen. Diese Bedeutung wurde auch von der Landesregierung anerkannt, so dass das Bauministerium aus Bundessondermitteln „Soziale Stadt“ rund 300.000 € und die Kulturabteilung der Staatskanzlei, die das Projekt in der Entwicklungsphase bereits intensiv begleitete, weitere 50.000 € zusagte, um das Projekt zu realisieren. Die Einbeziehung der Anwohner sowie die vielfältigen künstlerischen Impulse, die die Ebene 2 bereits bislang in die Hagener Kulturlandschaft gebracht hat, waren für die RUHR.2010 GmbH so überzeugend, dass sie das Projekt in die Liste der Kulturhauptstadtprojekte aufgenommen hat. Auch die Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. erkennt die Dimensionen des Projektes in der Entwicklung neuer Strategien zur Intensivierung des Dialogs der Kulturen an, weil das Projekt idealtypisch zu der, auch von der deutschen Bundesregierung im März dieses Jahres ratifizierten, UN-Konvention zur Förderung kultureller Vielfalt passt.“ (Auszug einer Berichterstattung unter www.kulturhauptstadt-europas.de)

Ein Projekt des Kulturbüros in Koordination mit EXILE-Kulturkoordination.



Die Idee

Ausgangsidee des Hagener Projektes „Die Sehnsucht nach Ebene II - Kunstprojekt für eine Brücke“ im Stadtteil Altenhagen ist die farb- und lichtkünstlerische Neugestaltung einer Hochbrücke. Konzept und Realisierung liegen in der Hand der Künstlerinnen Milica Reinhart, Kroatien/Deutschland, und Marjan Verkerk, Niederlande, unter Einbeziehung der multi-ethnischen Bevölkerung (82 Nationalitäten) rund um die Brücke. Die Brücke selbst, „Ebene II“ genannt, ist ein dominantes Bauwerk aus den siebziger Jahren; sie trennt als Hochbrücke den Stadtteil Altenhagen vom Zentrum der Stadt Hagen. In einer dicht besiedelten Umgebung gelegen, führt diese schnelle Verbindungsstraße nur wenige Meter an den angrenzenden Wohnhäusern vorbei und ermöglicht Blicke bis in die Wohnungen der Anwohner in der ersten und zweiten Etage der Häuser. Rund um die Brücke erstreckt sich ein Quartier mit Einzelhandel, Wettbüros, Spielhallen und Gastronomie, zumeist von Migranten geführt und besucht.


Den Künstlerinnen kommt es neben der ästhetischen Komponente darauf an, die kulturelle Vielfalt des Quartiers sichtbar zu machen, die Anwohnerinnen und Anwohner in die Realisierung einzubinden und damit zur kulturellen Belebung und sozialen Aufwertung des Viertels beizutragen. Konkret bedeutet dies, dass das Farbkonzept für die Brücke die Erfahrungen von Anwohnerinnen rund um die Brücke widerspiegelt und ihnen damit einen neuen festen und symbolischen Platz in der Stadt gibt. Auch die Lichtkunst wird die unterschiedliche Herkunft zur VBasis nehmen und das Wort Brücke in der jeweiligen Heimatsprache übernehmen. Die Gestaltung der Brücke will - nicht nur für die Stadt Hagen - Beispiel sein „Brücken zu schlagen“ für die Verständigung zwischen den deutschen und immigrierten Bevölkerungsgruppen. Das eingängige Gestaltungskonzept - bestehend aus Farbe und Licht - soll auch im Vorüberfahren verstehbar sein. Das Kunstprojekt soll in Kombination mit einer anstehenden bautechnischen Sanierung der Brücke verwirklicht werden.



Was bislang geschah


Das Kunstprojekt an der Brücke

Die Farbflächen an beiden Seiten der Brücke wurden auf der Grundlage von Interviews mit 42 Anwohnerinnen entwickelt. Die Frauen unterschiedlicher Herkunft wurden nach ihren Heimaterinnerungen, ihren Beweggründen zur Auswanderung oder Flucht und ihren Wahrnehmungen der neuen Heimat Hagen befragt. Die an wesentliche Erinnerungen geknüpften Farberinnerungen protokollierten die Künstlerinnen sorgfältig und schufen aus diesen biografischen Farberinnerungen ein stimmiges Farbkonzept für die Brücke. Ein zweiter wesentlicher Bestandteil der künstlerischen Gestaltung ist das Wort „Brücke“ als neue Beleuchtung. In den unterschiedlichen Sprachen schreiben die Interviewten das Wort Brücke mit ihrer Handschrift. Diese Schriftzüge werden in Neonleuchten nachgebildet und auf den Farbflächen angebracht.


Von der Idee zum Projekt: Die „Hintergrundarbeit“

Neben den Künstlerinnen haben sich zahlreiche Institutionen und Personen für dieses Kunstprojekt eingesetzt, sowohl in der Unterstützung der Idee, aber auch in der finanziellen Förderung. Ein breites Netzwerk an regionalen und überregionalen Kontakten, Kooperationen und UnterstützerInnen entstand. Die Mischung aus dem Thema Migration, Stadtentwicklung, Kunst (an der Brücke) und dem Geld, das solch ein Projekt in Zeiten knapper Kassen kostet, hat in der Hagener Öffentlichkeit zu einer breiten, auch kontrovers geführten Diskussion geführt. Nicht nur das Thema „was darf Kunst kosten?“ sondern auch das Thema Zuwanderung mit den unterschiedlichsten Facetten ist in fast allen Bevölkerungsschichten zum Gesprächsthema geworden. In mehrfacher Hinsicht ist Projekt so zum „Zündfunken“ geworden. Im Frühjahr 2008 wurde es endgültig bewilligt, am 10.Juli erfolgte der erste Pinselstrich.


Begleitprojekte

Die Realisierung des Projektes wird begleitet von Tanz-, Theater-, Musik-, Film- und Ausstellungsprojekten mit Akteuren unterschiedlicher Altersstufen aus dem Stadtteil, mit international renommierten Künstlern und Hagener Kulturinstituten. In dem eigens zu diesem Zweck reaktivierten Gloria Kino direkt an der Brücke entstanden seit September 2006 eine Reihe von Inszenierungen. Die Akzeptanz des Aufführungsortes ist bei der Anwohnerschaft groß, die als Akteure und Publikum beteiligt ist. Erstmalig richten Medien und Öffentlichkeit den Blick auf die Lebenswelten in diesem Quartier, erstmals gerät der Alltag seiner Bewohnerschaft in den Fokus professioneller künstlerischer Prozesse, die aktiv mit gestaltet werden können:


Theater „Ebene 2“ und „Farben der Liebe“ - Jugendtheater

Das LUTZ – junge bühne hAGEN entwickelte unter Mitwirkung von 22 Schülern und Schülerinnen der Hauptschule Altenhagen ein eigenes Theaterstück unter der Leitung und Regie des LUTZ-Leiters Werner Hahn. Die Jugendlichen Laiendarsteller wählten Themen aus ihrem eigenen Leben, stellten sie überzeugend und witzig dar – unterstützt durch Tanzchoreografien und Klang-Collagen. Ende 2006 wurde es zum ersten Mal mit großem Erfolg aufgeführt.


Ein zweites Theaterstück „Die Farben der Liebe“ – ebenfalls mit Schülern und Schülerinnen der Hauptschule Altenhagen wurde in 2007 entwickelt und im Februar 2008 uraufgeführt. Es basiert auf dem im Rahmen des Kunstprojekts entwickelten Roman von Ali Aslan (s.u.). Zur Zeit entwickelt Werner Hahn mit zahlreichen Schülern und Schülerinnen der Hauptschule Altenhagen und der Hauptschule Remberg ein Musical.


Tanzcollage „Estancáo esperanca - Station der Hoffnung“

Ricardo Fernendo, Ballettdirektor des Stadttheaters Hagen entwickelte mit seinem Team ein Stück, in dem es um die Gefühle eines Auswanderers geht, der sich in der Fremde auf die Suche nach einer neuen Heimat macht. Das Stück versteht sich als eine Hommage an alle, die in Hagen bzw. in der Fremde ihre neue Heimat fanden. Eingearbeit in das Stück wurden Filmszenen unter der Regie von Mustafa Özgür Arslan. Im Juni 2007 wurde es im Rahmen von TanzRäume uraufgeführt. Am 17.April 2009 wird das Ballett mit diesem Stück zu Gast in Hameln sein.


Diese Produktion sowie die Jugendtheaterarbeit rund um die „Ebene 2“ inspirierten das Ballett zu einem weiteren sehr erfolgreichen Tanzprojekt mit Jugendlichen vor allem aus Haupt- und Realschulen (Ballroom Dance).


Film „Die Schatten der Ebene 2“

Der aus Hagen stammende junge türkischstämmige Filmemacher Mustafa Özgür Arlslan hat in seiner Heimatstadt einen eindrucksvollen Film entwickelt. Durch die Augen des kleinen marokkanischen Jugen Ajoub werden in dem Film sensible Eindrücke in das Leben der Migranten der ersten und dritten Generation festgehalten. Anfang 2007 wurde der Film im stillgelegten Goria-Kino zum ersten Mal gezeigt.


Musik „Rapschool“

Gandhi Chahine, einer er frühesten und erfolgreichsten Rapper Deutschlands, jetzt Leiter des MusicOfficeHagen, hat im Herbst 2006 das Projekt Rapschool umgesetzt. Mit zwei Musikerkollegen und zwei erfahrenen Filmern erarbeitete er in Altenhagen mit 18 bis 20 Schülern gemeinsam kreative Raptexte, Musik und Filme über den Alltag der Jugendlichen rund um die Brücke.


Seitdem hat das MusicOfficeHagen verschiedene größere Musical-Projekte initiert, in denen zu einem großen Teil Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund mitgewirkt haben (Kindermusical „Kreuz & Quer“, Jugendmusical „It´s my life“).


Literatur „Die Farben der Liebe“

Der türkischstämmige Autor und Lehrer Ali Arlsan, seit 1981 in Deutschland, hat in türkischer Sprache einen Roman geschrieben, der von einer jungen Liebe aus und in Altenhagen handelt. Der Roman wurde von Dr. Özgür Savasci ins Deutsche übersetzt. Durch eine dramaturgische Bearbeitung wurde er einer breiten Öffentlichkeit auf der Bühne vorgestellt, hat aber seinen Platz auch in zahlreichen Schullesungen gefunden.

Aktuell

„Der erste Abschnitt ist beendet“

Milica Reinhart und Marjan Verkerk strahlen: der erste Abschnitt der Gestaltung der Brücke ist fertig. Das gute Wetter begünstigt das schnelle Vorankommen. Die beiden Künstlerinnen und ihr Team stehen jeden Tag auf dem Gerüst und setzen die Erinnerungen der Frauen, die in den Häusern um die Brücke herum leben, in ausdrucksstarke Bilder um. Nie vorher waren diese Frauen, die aus Ghana und Bosnien, dem Iran oder Polen, aus Vietnam, Russland der Türkei nach Hagen gekommen sind, oder schon immer dort leben, nach ihrer Geschichte und ihren Erfahrungen gefragt worden. Ihre Erinnerungen sind mit den Farben verbunden, die nun in den Bildern an den Wänden der Brücke zu sehen sind. Das Wort Brücke, in den verschiedenen Handschriften und Sprachen der Frauen und gegossen in Neonschrift, wird in Zukunft die Brücke beleuchten. So wird die Brücke Zeichen für das Ankommen in der Stadt und gleichzeitig Symbol für die Vielfalt der Geschichte(n) der Hagener Bevölkerung. (Dirk Heitlindemann, 26.08.08).


Den ausführlichen Artikel und die aktuellsten Informationen finden Sie unter:


weitere Links


Kooperationspartner

  • EXILE-Kulturkoordination

UnterstützerInnen

  • Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Bauministerium des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Deutsche Unesco Komission e.V. (Schirmherrschaft)
  • Ruhr 2010.GmbH
  • Firma SoCretec GbmH
  • Firma Ambrock
  • Firma Tragwerke, Herr Becker
  • Firma Heinz Kers
  • Zahlreiche weitere Firmen und Privatpersonen aus Hagen, die das Projekt durch eine Spende unterstützen

Wir danken allen Beteiligten ganz herzlich für die Unterstützung!!!

Aktuelle Fotos von der Brücke:

Fotos: Marjan Verkerk

Standort & Erreichbarkeit

Kulturbüro Hagen

Fachbereich Bildung


Museumsplatz 3
58095 Hagen

Formulare